Fall II

Zeitaufwand bis zum Scheidungstermin und zum Vertrag 4 Monate, 2 Gespräche, ca. 8 E-Mails, Ausarbeitung Notarvertrag (= ca. 12 Stunden), Kostenpauschale 2.500 € zzgl. Steuer + Notarkosten + Scheidungskosten ohne Folgesache: Verfahrenswert rund 45.000 € = 2.620,67 €
Zeitaufwand als Anwältin:
a) außergerichtlich Unterhalt lief bereits über 2 Jahre, Gesamtdauer knapp 3 Jahre; Kosten nach RVG 1.029,35 € bei Verfahrenswert 15.000 € b) Zeitaufwand gerichtlich I Instanz nur Trennungsunterthalt dazu (geschätzt) mind. 18 Monate, 5 Anwaltsschreiben, 5 Beratungen, Kosten nach RVG (ges. inkl. außergerichtlicher Tätigkeit) 3.363,12 €
Scheidungsverbund mit allen Folgesachen: Verfahrenswert rund 75.000 € = 7.402,35 (inkl. außergerichtlicher Tätigkeit) nach RVG
Harry habe ich von einem Kollegen übernommen, der nach vielen Jahren des Streitens einfach keinen Nerv mehr für ihn hatte, denn der Anwalt wollte klagen, Harry nicht. Harry kam im Schnitt 2 Mal im Monat zur Besprechung zu ihm und brachte im Schnitt jedes Mal 30 E-Mails mit, die so zwischen ihm und seiner Ex-Frau Hin- und Hergingen. Er wollte eine schnelle und klare Lösung mit Ehevertrag, sodass endlich Frieden einkehrt und er nur noch die Scheidung "durchziehen" braucht.

Harry war bei seiner 1. Besprechung bei mir besonders gut vorbereitet, denn er hatte einen fein säuberlichen Stapel mitgebracht mit den Mails der letzten 6 Monate, die müsse ich lesen, damit ich wisse, um was es in seiner Sache ginge. Beginn 1. E-Mail: Charlotte, Du hast mal wieder… mehr habe ich nicht gelesen und weiter geblättert bis zu S. 3 E-Mail Ende mit den Worten: und deswegen fordere ich Dich auf, dass Du mir sofort die Gartenmöbel bringst. Kein Gruß kein Nix.

Ich sah Harry an und er mich. Ich schob den Stapel wieder über den Tisch. Auf seiner Stirn zogen Falten auf. "Das lese ich nicht" sagte ich zu ihm. Die Stirn des Vorstandschefs eines mittelprächtigen Unternehmens war ein nunmehr zerfurchter Acker: "Das ist ihre Aufgabe" kam zurück. Nein, sagte ich, meine Aufgabe sei es ihn juristisch zu beraten, nicht E-Mails zu lesen, wo er gegenüber der Mutter seines Sohnes noch nicht einmal den Anstand besitzen würde zu beginnen mit "Hallo Charlotte" und zu enden mit "Grüße Harry".

Fand er nicht lustig. Ich auch nicht. Wie gehen Menschen denn miteinander um? In diesem Fall furchtbar. Ich bot ihm an die juristischen Belange zu prüfen und zum Gerichtstermin zu gehen und, wenn er möchte, würde ich seine E-Mails, wenn er seiner Frau eines schickt, Korrektur lesen und meine Anmerkungen reinschreiben. Das fand er noch weniger lustig, schließlich sei er Vorstandchef, er wisse schon, wie man ein Mail schreibe und zudem doch deutlich älter als ich.

3 Tage später kam ein Mail mit der Bitte das unten stehende Mail an seine Frau doch mal quer zu lesen und vielleicht was dazu zu sagen. Habe ich getan. Zurück kam, das sei aber nicht nett, was mein Eindruck von seiner Mail sei. Ich schrieb ihm zurück, sein Mail an seine Frau sei auch nicht nett und ob er eine Lösung wolle oder weiter zanken.

1 Woche später kam ein weiteres Mail mit der "Bitte um Korrektur". Ich habe ihm ausführlicher geantwortet, welche Gefühle bei seinen Worten in mir hochkommen und wie ich darüber denke. Er schrieb zurück, so habe er das noch nie betrachtet.
4 Monate und ca. 8 E-Mails später waren die beiden beim Notar und haben eine Vereinbarung über Kindesunterhalt, Trenungsunterhalt, nachehelichen Unterhalt und Vermögen (einschließlich der Gartenmöbel) abgeschlossen und weitere 2 Monate später war Harry geschieden.
Klaus-Dieter Gens hat ein schönes Buch geschrieben: Mit dem "Herzen hört man besser" mit tollen Ausführungen zur "trennenden Kommunikation" und wie man sie überwindet. Wenn wir uns gegenseitig lernen zuzuhören, klären sich auf einmal ganz viele Belange wie von selbst.

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