Fall III
Zeitaufwand bis zum Vertrag 6 Wochen, 2 Gespräche, Kostenpauschale 400 € zzgl. Steuer + Notarkosten + Scheidungskosten
Zeitaufwand als Anwältin:
a) außergerichtlich nur Vermögen, vss. Gesamtdauer bis zum Notarvertrag mind. 6 Monate + 3-5 Anwaltsschreiben; Kosten bei
einem Verfahrenswert von 80.000 € nach RVG 2.085,95 € + Notarkosten + Scheidungskosten
Marianne wollte sich nicht scheiden lassen als sie mich anrief. Sie und ihr Mann hatten sich getrennt und er hatte eine neue
Partnerin, die er auch gerne heiraten wollte. Das Vermögen war noch nicht geteilt, man ging sich aus dem Weg und sie war haltlos
traurig als wir uns das erste Mal trafen.
Auf die kurze Frage, was sie denn wolle, wenn sie schon so klar sagen könne, was sie nicht wolle (keine Scheidung), hatte sie auch
umgehend die Antwort parat, dass sie ihn nicht zurück möchte.
Auf meine nochmalige Frage, dass auch dies eine Verneinung sei und sie möge sich überlegen, was sie wolle wusste sie es nicht so
richtig. Wir haben dann erst einmal einen Termin ausgemacht und ich gab ihr die Aufgabe mit, zu überlegen, was ihr wichtig sei und
wie es weitergehen soll und diese überlegungen mitzubringen.
Zu unserer Besprechung hatte sie genau dies getan: Sie hatte sich alleine hingesetzte und überlegt: Was will ich. Das hat sie als
Liste zusammengefasst und zu unserem 1. Gespräch mitgebracht. Wir sind die Punkte (u.a. Ruhe, faire Vermögensteilung, gute Gespräche
miteinander, Respekt und Wertschätzung im gegenseitigen Umgang) einzeln durchgegangen und ich habe ihr von Kelly Bryson das Buch
"sei nicht nett, sei echt" empfohlen. Leider hat Kelly Bryson soweit ich weiß nur dieses 1 Buch geschrieben; allerdings ist der Titel
auch der Inhalt. Es beschreibt in vielen eigenen erlebten Geschichten wie man "auch" miteinander umgehen kann. Als Schüler von Rosenberg
und Vertreter der Gewaltfreien Kommunikation hat er so manche Randsituation bewundernswert gemeistert ohne im Ergebnis auch nur einen
einzigen Schritt von seinen eigenen Bedürfnissen abzuweichen.
Mit diesem Wissen hat sich Marianne mit ihrem Ex-Mann hingesetzt. Sie haben alle Vermögenswerte benannt und jeder hat dargelegt, was er
für eine faire Teilung erachtet und wer welche Bedürfnisse hat. Wir haben uns dann zu einem zweiten Gespräch getroffen, in welchem es
lediglich darum ging, wie man solche "Verhandlungen führt"; also eine Art Kommunikationstraining. Unser gemeinsames Fazit war: Gar nicht;
man bleibt bei sich selbst und versucht Empathie für sich und den anderen zu entwickeln, für die jeweiligen Bedürfnisse und Wünsche.
3 Wochen später haben die beiden einen Notarvertrag unterzeichnet, den sie auch nicht von mir kommentiert oder überprüft haben wollten und
sie wollte der Scheidung zustimmen und mit mir in Begleitung zum Scheidungstermin gehen. Auch auf den (juristischen) Hinweis hin, sie könne
doch gar nicht beurteilen, ob einer von beiden auf Geld verzichte, was ihnen von Gesetztes wegen zustehe und ich würde ihr (als ihre Anwältin)
dringend raten, dass wir die Zahlen prüfen. Sie hat das abgelehnt. Es sei ihr egal, ob sie auf Geld verzichtet; sie sei mit der Lösung sehr
zufrieden und finde diese fair und fühle sich sehr wohl damit und wenn er wissen wolle, ob er auf Geld verzichte, dann müsse er das eben
prüfen lassen, das sei nicht ihr Thema.
Wenn ich heute etwas von Marianne höre, klingt sie wie eine satte zufriedene Katze, die mit ihren Entscheidungen im Reinen ist und das ganze
Leben "be-schnurrt" und genießt.